Unglaublicher!
14/04/20 Auch wenn ich mit etwas Abstand auf die letzten Tage zurück schaue, habe ich das Gefühl zu träumen. Nach dem bereits unglaublichen 3. Rang im Sprint und einem guten 9. Platz über die Langdistanz, liessen wir die Bombe in der Staffel richtig platzen. Wir sind Europameisterinnen!
Und langsam komme ich nicht umhin, all das Unglaubliche zu glauben. Vielleicht hilft es mir, die Geschehnisse der Reihe nach nochmals durchzugehen und dabei diesen Eintrag zu produzieren.
Wem Bilder lieber sind als Worte: Bildergalerie EM 2014
11.4. Langdistanz-Qualifikation
Nicht gerade der schönste Wald auf Erden wurde uns an diesem Wettkampf vorgesetzt. Meine Taktik war darum, so viel wie möglich auf die Wege auszuweichen und auch grössere Umwege in Kauf zu nehmen. Wie ich es trotzdem schaffte, die Beine so richtig zu verkratzen, weiss ich nicht. Sonst ging die Taktik aber auf und ich konnte mich als zweite in meinem Heat (eine von drei Startgruppen) locker für den Final qualifizieren.
12.4. Sprint-Qualifikation
Eine spannende Bahn, viele Passanten und einige Autos forderten mich ziemlich. Den anderen Läuferinnen ging es wohl ähnlich und ich sicherte mir wieder als Heat-Zweite einen späten Startplatz im Final.
13.4. Sprint-Final
A day to remember! Die ersten acht Stunden des Tages verliefen völlig unspektakulär. Ich beschäftigte mich hauptsächlich damit, Langeweile abzuwenden und die Stunden möglichst schnell vorbeiziehen zu lassen. Auf die anstehenden Minuten in Sauerstoffschuld konnte ich mich mental bereits beim Fernsehen einstellen, immerhin litt ich dann nur 15 Minuten und nicht zwei Stunden wie die beim London-Marathon oder sechs wie die Velofahrer von Paris bis Roubaix (die Zielankunft verpassten wir leider bei beiden Rennen).
Am frühen Abend gab es dann echte Action! Als sechstletzte Läuferin stürzte ich mich um 17.19 vom Startpodium und versuchte, bereits zum ersten Posten die beste Route zu erwischen. Die ersten Abschnitte liefen dann wirklich sehr gut und ein schönes Sprintgefühl stellte sich ein. Bei der Routenwahl zum 6. Posten hatte ich aber kein Goldhändchen. Ich übersah bereits bei der Routenplanung den kleinen Weg entlang der Mauer und rannte darum etwa 60 Meter oder 20 Sekunden zu weit.
Da ich dieses Missgeschick während dem Lauf gar nicht bemerkte (die fachkundigen Zuschauer zuhause aber schon!), lief ich ohne Kopfzerbrechen weiter und zog meinen Lauf stabil durch. Die letzten Posten wurden physisch richtig hart und ich hätte nicht gedacht, dass ich dort tempomässig mit den Schnellsten mithalten konnte. Das konnte ich aber und mir somit die Bronzemedaille sichern.
Routenanalyse von Jan Kocbach (SPAS)
15.4. Langdistanz-Final
An meinem Geburtstag durfte ich erst am Abend einen Kuchen geniessen, zuerst wurden die Kalorien verbrannt. Die Langdistanz-Bahn über 13 Kilometer forderte nämlich einiges an Substanz. Ich war froh, einen Gel dabei zu haben und vor der Schlussschlaufe den Zuckerspiegel mit einem Winforce-Shot zu pushen. So rannte ich die Bahn ohne grössere Schwierigkeiten ab und hatte das Gefühl, bis zum Schluss ziehen zu können. Im Ziel kam dafür dann der Hammermann umso mehr… Technisch bin ich wirklich zufrieden mit meinem Lauf. Nur die beiden Routenwahlen zum ersten und zum siebten Posten gelangen mir nicht optimal.
Bei der Schlussabrechnung schaute ein 9. Rang heraus für mich. Auch wenn es nach dem Feuerwerk im Sprint unspektakulär aussieht, ich bin sehr zufrieden mit meiner Leistung und auch mit dem Resultat. Auf dieser Basis lässt es sich auf jeden Fall weiterarbeiten.
16.4. Staffel
Kaum war ich nach der Langdistanz im Ziel und hatte die ersten Müdigkeitserscheinungen überstanden, richtete sich mein Fokus automatisch auf den letzten und umso wichtigeren Wettkampf der Woche: die Staffel. Die Trainer gaben mir die Aufgabe, für Schweiz 1 die Startstrecke zu laufen, was mich freute aber natürlich bereits ein wenig Nervosität auslöste. Am Morgen fühlten sich die Beine schon nicht mehr so frisch an und verschiedenste Gedanken, wie es nicht laufen sollte, tauchten auf. Mit dem Startschuss hatte ich mich dann aber wieder im Griff. Ich startete ruhig, versuchte cool zu bleiben, auch wenn ich mich immer wieder von hinten an die anderen Läuferinnen heran kämpfen musste und befahl meinem Beinen, bis ins Ziel voll Gas zu geben. Die Devise „glaube immer daran, dass du wegen längeren Gabelungen hinten bist und nicht weil du einfach zu langsam rennst“ habe ich mir richtig zu Herzen genommen. Und in diesem Rennen war es auch wirklich berechtigt: Der Unterschied von der kürzesten zur längsten Gabelungsvariante betrug tatsächlich 450m und mir wurde die Karte mit der längsten Variante zugeteilt. Somit musste ich also mehr als eine Bahnrunde weiter laufen, als andere Startstreckenläuferinnen.
Was auf den ersten Blick wie Pech aussehen kann, war im Endeffekt aber unser Glück! Die zweite Läuferin (Sabine Hauswirth) durfte dann natürlich eine kürzere Variante absolvieren und konnte dank einem fehlerfreien Lauf eine Lücke zu den anderen Teams aufreissen. Judith Wyder lief, wie auch schon in der Langdistanz am Tag zuvor, ein super Rennen, baute den Vorsprung aus und brachte souverän die Goldmedaille ins Ziel.
Das hätten wir wirklich nicht erwartet und die Freude war einfach unbeschreiblich! Ein Erfolg in der Staffel ist einfach besonders schön und bringt eine Extraportion Emotionen, zum Beispiel beim gemeinsamen Zieleinlauf.
Karte (GPS funktionierte bei mir leider nicht), Karte mit allen Gabelungen
Bericht auf SRF (also da bin ich schon besonders stolz darauf...)
Nach einer unglaublichen Woche, einem neuen karrierenbesten Resultat, einem Tag als The Flying Swiss Girl und vielen, vielen Glückwunsch- und Gratulationsnachrichten bliebt vor allem eines übrig: Lust auf mehr!
(Fotos: M. Schmocker)
Reader Comments (1)
zwar schon etwas spät, aber nicht weniger von Herzen - GRATULATION!!! Ich freue mich sehr für dich!
Auch eine sehr schöne Website :-)
Renate Lienhart